27. März 2024 / Heikos Kulturblog

Für eine Handvoll Kröten

Krötenwanderung, Stuttgart-Degerloch, Umwelt, Natur, Flora und Fauna, Heiko Volz, NABU

Für eine Handvoll Kröten


Dass es viele Waldtiere um und teilweise in Stuttgart gibt wundert einen nicht. Umliegend gibt es Rot- und Schwarzwild, in meinem Garten im Stuttgarter Westen treffen sich Eidechsen, Eichhörnchen und Füchse. Durch die Lüfte schwirren Insekten, Meisen, Amseln, Eichelhäher, Elstern und Bussarde. In den Mammutbäumen beim Nachbarn leben Krähen neben Fledermäusen.
Aber Stuttgart hat auch ein Krötenproblem. Besser gesagt, die Kröten haben ein Problem in Stuttgart. Außerhalb der Stadt, an den Bärenseen oder Solitude ist das bekannt –  aber mitten in der Stadt?


Kürzlich begleitete ich die Degerlocher Roßhau-Gruppe. Um 19:30 Uhr starteten wir mit Gummihandschuhen und Taschenlampen bewaffnet. Eineinhalb Stunden liefen wir in der Dunkelheit Patrouille. In dieser Zeit sind die Lurche üblicherweise unterwegs. Voller Stolz können wir behaupten alle Kröten gerettet zu haben, die wir sahen. Mit der kleinen Einschränkung, dass wir keine einzige sahen. Mal findet man in einer Stunde bis zu 60 Kröten – mal keine einzige. Die Kröten haben einen integrierten Thermo- und Barometer. Bei einer Bodentemperatur bis 3 Grad kommen sie nicht aus den Löchern. An Tagen wo es ihnen zu warm oder zu trocken ist auch nicht. So war es wohl diesmal. Jedenfalls wurde an diesem Abend auch keine an dieser Stelle überfahren. 
Zu gerne hätte ich gewusst wie sie sich anfühlen. Anfangs kostet es ein wenig Überwindung die wabbeligen Tiere in die Hand zu nehmen, aber man gewöhnt sich daran. Wenn man sie sich genauer anschaut sehen sie auch gar nicht so abstossend aus. Manche wirken fast schon sympathisch, sagen erfahrene Retter. Vielleicht habe ich nächste Woche mehr Glück. Und zurr Theorie kommt Praxis dazu.


In Degerloch kommen die Kröten aus dem Wald, wollen den angrenzenden Gehweg und die Roßhaustraße überqueren, um auf der anderen Straßenseite in ihre angestammten Laichgewässer im Wohngebiet zu gelangen. Dabei werden sie trotz der aufgestellten Verkehrsschilder mit 10 km/h häufig überfahren – dies auch während die Helfer auf der Straße unterwegs sind. Was kaum einer weiß: fährt ein Auto mit 30 km/h zu nah an einer Kröte vorbei, reisst ihr der durch das Fahrzeug erzeugte Unterdruck, die Lunge heraus.

 

 

Die Degerlocher Roßhau-Gruppe wurde 2020  im Atelier der Künstlerin Petra Steidel-Wokeck in der Ahornstrasse gegründet. Es handelt sich um eine private Tierschutz-Gruppe, die sich aus Degerlocher  Anwohnern und Interessierten aus anderen Stadtteilen zusammensetzt.  Bei der Suche nach Helfern unterstützt der NABU.
Anders als die Krötenrettung des NABU an den Standorten Falkenstraße, Frauenkopf, Solitude, Waldhäuser-Ost mit Krötenzäunen und Eimern und morgendlicher Leerung der Eimer, sammelt die Degerlocher-Roßhau-Gruppe die Kröten einzeln nach Einbruch der Dunkelheit auf und bringt sie über die Straße.

Weitere private Gruppen sind zum Beispiel in Schönberg und Sillenbuch unterwegs.

 

 

 

Das Umweltamt der Stadt hat die Gruppe anfangs mit Flyern für die Anlieger unterstützt und auf Initiative der Gruppe weitere  Maßnahmen umgesetzt: Erweiterung und Verbesserung der Beschilderung/ Geschwindigkeitsbeschränkung, Austausch von Gullideckeln und Teil-Absenkung der Bordsteine. 

Die Gruppe besteht im Idealfall aus 14 Helfern, die jeweils zu zweit einen Wochentag abdecken. Dafür gibt es einen Einsatzplan. Die Gruppe kommuniziert über ihre „Krötenpost“ per Mail.

Wer mithelfen möchte, kann sich an Annette Lang wenden: 0711 760972

 

Bildnachweis: Heiko Volz, Sibylle Mayer

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