21. Oktober 2023 / Boris Mönnich für Stuttgart

Bier in Gefahr

Agrar, Medizin, Gesundheit, Essen, Trinken, Gartenbau

Bier in Gefahr:

Zitrusfrüchte aus dem Supermarkt enthalten Hopfen-Schaderreger

Falsche Entsorgung von Obstresten könnte Viroide von Zitrusfrüchten auf Hopfen übertragen und potenziell die Bierlieferung gefährden – so eine Studie der Uni Hohenheim. Hopfen, das grüne Gold Deutschlands, ist bedroht: Das Citrus Bark Cracking Viroid (CBCVd) breitet sich aus. Denn wenn diese Krankheitserreger in Hopfenpflanzen gelangen, sind Ertragseinbußen die Folge. Sie kommen über infiziertes Pflanzmaterial oder aus importierten Zitrusfrüchten, ergab eine Studie von Dr. Michael Hagemann von der Universität Hohenheim in Stuttgart.

Neuinfektionen können durch den achtlosen Umgang mit Resten von Zitrusfrüchten in Hopfenanbaugebieten ausgelöst werden. Ein bewusster Umgang mit diesen Faktoren könnte die Rettung für die Hopfenproduktion bedeuten. Sie sind ein prachtvoller Anblick: Bis zu acht Meter hoch ranken sich Hopfenpflanzen mit ihren duftenden Dolden an Drahtseil-Gestellen in die Höhe. Zu finden sind sie nicht nur in der bayerischen Hallertau – mit rund 17.000 Hektar das größte Hopfen-Anbaugebiet der Welt – sondern auch auf rund 1.500 Hektar im oberschwäbischen Tettnang sowie in den Anbaugebieten Elbe-Saale, Spalt und Bitburg. Deutschland produziert über ein Drittel der weltweiten Hopfenernte.

Doch dem „grünen Gold“ droht Gefahr – nicht nur durch den Klimawandel, dessen Einfluss bei der diesjährigen Hopfenernte im Fokus der Medien stand. Auch gefährliche Krankheitserreger könnten künftig Probleme bereiten: „Das Citrus Bark Cracking Viroid (CBCVd) wurde 2019 überraschend im deutschen Hopfen nachgewiesen“, berichtet Dr. Michael Hagemann vom Fachgebiet Produktionssysteme der Sonderkulturen an der Universität Hohenheim.

Ertragseinbußen durch Befall mit Viroiden Viroide, die im Gegensatz zu Viren keine Protein-Hülle besitzen, sind gewissermaßen Miniatur-Parasiten. Sie verwenden die Proteine ihrer Wirtszelle für ihre eigenen Funktionen und nutzen die Pflanzenzellen, um sich zu vermehren. Das kann bei den Wirtspflanzen zu Problemen führen. CBCVd kommt in Zitrusfrüchten normalerweise symptomfrei vor oder führt bei wenigen Sorten zum Aufbrechen der Rinde, dem namengebenden bark cracking. Auch wenn das Viroid Hopfenpflanzen infiziert kommt es zum bark cracking, aber vor allem verursacht es eine schleichende Stauchung. Diese wird erst nach 1-2 Jahren sichtbar und führt in den Folgejahren zum Absterben der Pflanzen. „Die Hopfenpflanzen bleiben kleiner, wachsen auf 5-6 Meter statt der üblichen 8 Meter heran. Dieser Prozess ist zunächst für das bloße Auge nicht erkennbar und erfordert molekularbiologische Tests zur Diagnose“, erklärt der Experte. „Befallene Pflanzen haben kleinere Dolden und weniger für das Bierbrauen wichtige Bitterstoffe, später folgt das Absterben.“

Ausbreitung durch unsachgemäß entsorgte Zitrusfrüchte… Dr. Hagemann hat mit seinen Kolleg:innen untersucht, wie die Virode in die Hopfenpflanzen gelangen. Ihr Verdacht hat sich bestätigt: Rund sechs Prozent der Zitrusfrüchte aus dem Supermarkt enthalten CBCVd, und auch andere Viroide konnten die Forschenden in den Früchten nachweisen. Das Team untersuchte knapp 400 Proben aus Lebensmittelgeschäften in den Hopfenanbaugebieten Deutschlands sowie 50 aus Slowenien – und fanden bis zu fünf unterschiedliche Viroide bei Waren aus allen beprobten zitrusanbauenden Ländern.

Die gute Nachricht: Ein bewusster Umgang mit den Früchten kann dazu beitragen, die Ausbreitung der Viroide einzudämmen. „Eine achtlose Entsorgung von Obstresten in landwirtschaftlichen Gebieten kann die Verbreitung dieser Krankheiten fördern“, gibt Dr. Hagemann zu bedenken. „Daher gilt vor allem in den Hopfenanbaugebieten: Bitte keine Zitrusfrüchte oder -schalen beim Spaziergang oder bei der Feldarbeit einfach irgendwo hinwerfen. Auch die Rispen von Weintrauben können Schadviroide des Hopfens enthalten. Und Reste vom Wochenmarkt sollten sachgemäß kompostiert werden, um eine Übertragung auf Hopfen zu vermeiden.“ …und durch Einsatz von Viroiden als Stauchungsmittel im Zitrusanbau

Die Forschenden haben auch ein weiteres Problem ausgemacht, das zur Ausbreitung der Viroide beiträgt: „Im Zitrusanbau werden die Viroide gezielt als sogenanntes Stauchungsmittel eingesetzt. Befallene Bäume bleiben kleiner und sind so leichter zu pflegen und zu beernten“, erläutert Dr. Hagemann. „Doch angesichts der ernsten Bedrohung für die Hopfenproduktion plädieren wir dringend dafür, diese nicht mehr einzusetzen und auch in der Beratung nicht mehr zu empfehlen.“ In diesem Bereich sieht Dr. Hagemann noch viel Forschungsbedarf.

An seinem Fachgebiet forscht die Doktorandin Swati Jagani zudem an der Frage ob Viroide durch zitrusbasierte Pflanzenschutzmittel übertragen werden können. Hohe Dunkelziffer bei der Befallsfläche „In Bayern sind bereits mehr als 110 Hektar Hopfenanbaufläche von CBCVd betroffen, und es dürfte eine hohe Dunkelziffer geben“, erklärt Dr. Hagemann. In den Hopfenanbaugebieten begünstigen auch die Vermehrung durch infiziertes Pflanzmaterial – sogenannte Fechser – sowie Schnittmaßnahmen die Ausbreitung der Viroide. „Um die Ausbreitung einzudämmen, werden bei einem Befund nicht nur die befallene Pflanze, sondern auch einige Pflanzen davor und danach entfernt, und es werden regelmäßige Tests in der betroffenen Fläche durchgeführt“, so Dr. Hagemann. „Bei einem Befall ist außerdem eine Brache bzw. Fruchtfolge von zwei Jahren dringend angeraten.“ Für Menschen seien die untersuchten Viroide übrigens ungefährlich, beruhigt Dr. Hagemann: „Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass CBCVd oder andere Viroide in den betroffenen Früchten eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen.“

Publikation Hagemann, M.H., Treiber, C., Born, U. et al. Risk potential of international fruit trade for viroid spreading – case study on hop viroids in Europe. J Plant Pathol (2023). https://doi.org/10.1007/s42161-023-01449-3

Bildnachweis: Zitrusfrüchte aus dem Lebensmittelhandel enthalten Hopfen-Schaderreger, so eine Studie der Universität Hohenheim.| Bildquelle: Universität Hohenheim / Astrid Untermann

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